Seiersberg: Begutachtungsverfahren für Einzelstandortverordnung startet heute
Rund 2.100 Menschen sind in den Unternehmen der Shopping City Seiersberg (SCS) beschäftigt, das Einkaufszentrum wird im Jahr von über 11 Millionen KundInnen besucht. Im Falle einer baulichen Trennung der einzelnen Baukörper der SCS ist laut eines Gutachtens im `best case´ von einem Umsatzrückgang von mindestens 20 % auszugehen, wahrscheinlicher sei jedoch das Eintreten einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale, die zur kompletten Schließung des Einkaufszentrums führe. Um dies abzuwenden, wurde heute die von der Gemeinde Seiersberg-Pirka beantragte Einzelstandortverordnung von der Landesabteilung 13 in Begutachtung geschickt. Acht Wochen hat nun jede/r Zeit, um Stellungnahmen abzugeben.
Die Shopping City Seiersberg (SCS) ist seit dem Jahr 2002 in Betrieb und besteht aus fünf getrennten Baukörpern bzw. Einkaufszentren. Diese sind durch von der Gemeinde Seiersberg-Pirka auf Basis des Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 verordnete sogenannte „öffentliche Interessentenwege" verbunden. Öffentliche Interessentenwege sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die BesitzerInnen und BewohnerInnen einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und von der zuständigen Gemeinde mittels Verordnung ausgewiesen werden. Im Juli dieses Jahres hat der Verfassungsgerichtshof die genannten Verordnungen der Gemeinde Seiersberg-Pirka mit Wirkung vom 15. Jänner 2017 als gesetzeswidrig behoben. Die Entscheidung wird damit begründet, dass die in Zusammenhang mit der Shopping City Seiersberg verordneten öffentlichen Interessentenwege eben nicht nur von einer beschränkten Anzahl von LiegenschaftsbesitzerInnen oder -bewohnerInnen sondern vor allem auch Personen aus der restlichen Steiermark, aus dem restlichen Österreich sowie auch aus dem benachbarten Ausland genutzt werden.
Insgesamt sind in den Unternehmen der SCS rund 2.100 Menschen beschäftigt, das Einkaufszentrum wird im Jahr von über 11 Millionen KundInnen besucht.
Sowohl zum Zeitpunkt der Entstehung als auch während des Betriebs verfügte die SCS über die notwendigen behördlichen Bewilligungen. Dies wurde in verschiedenen Verfahren sowie auch von den österreichischen Höchstgerichten mehrfach bestätigt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes führt nun dazu, dass die Nutzung der Verbindungsbauten ab 16. Jänner 2017 nach 14 Jahren im Betrieb rechtswidrig wird.
Seitens des Bürgermeisters der Gemeinde Seiersberg-Pirka als Baubehörde wäre umgehend ein Beseitigungsauftrag zu erlassen. Nach den Bestimmungen des aktuell geltenden Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 sind die Verkaufsflächen der einzelnen Gebäudeteile zusammenzurechnen. Damit überschreitet die SCS die für die Gemeinde Seiersberg-Pirka gültigen Grenzen für Einkaufszentren-Flächen. Ohne weitere Maßnahmen besteht daher keine rechtliche Möglichkeit, die Verbindungsbauwerke zwischen den einzelnen Bauteilen der SCS baurechtlich zu bewilligen. Das Beseitigen bzw. Schließen der Verbindungsbauwerke ist jedoch faktisch kurzfristig nicht möglich, da die Erschließung der einzelnen Einkaufszentren über diese erfolgt und auch die Fluchtwege hier gelegen sind.
Seitens der Gemeinde Seiersberg-Pirka wurde am 30. Mai 2016 bei der zuständigen Abteilung 13 (Umwelt und Raumordnung) des Amtes der Landesregierung ein Antrag auf Erlassung einer sogenannten „Einzelstandortverordnung" für die SCS eingebracht. Das Steiermärkische Raumordnungsgesetz sieht die grundsätzliche Möglichkeit der Erlassung einer solchen Verordnung für Einkaufszentren vor. Dies bedeutet zusammengefasst, dass von der Landesregierung an einem Standort ungeachtet der sonstigen Raumordnungsbestimmungen Flächen für ein Einkaufszentrum ausgewiesen werden. Vor der Erlassung ist ein umfassendes Verfahren durchzuführen, in welchem von Sachverständigen und Juristen genau geprüft wird, ob die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Insbesondere sind hier Fragen der Siedlungsstruktur, des Einzugsgebiets, der Entwicklung des Gesamtraums, der Funktionsfähigkeit zentraler Orte sowie des Verkehrsaufkommens zu berücksichtigen. Die tatsächliche Erlassung einer Einzelstandortverordnung ist nur dann möglich, wenn sich im Verfahren herausstellt, dass alle gesetzlichen Anforderungen und Bestimmungen erfüllt werden.
Die Abteilung 13 hat nach der Antragsstellung durch die Gemeinde Seiersberg-Pirka das aufgrund der Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 gebotene Verfahren durchgeführt. Sowohl amtliche als auch nichtamtliche Sachverständige haben die zu beurteilenden Fragen einer intensiven und detaillierten Prüfung unterzogen. Wesentliche Basis für die Erlassung einer Einzelstandortverordnung ist die Untersuchung der handelsstrukturellen Auswirkungen. Die Standort + Markt Beratungsgesellschaft mbH aus Baden hat im Auftrag der Abteilung ein umfassendes Gutachten über die Entwicklung der Zentren-Situation im Raum Graz von 2003 bis 2016 erstellt.
Zusammengefasst werden nachstehende Schlussfolgerungen gezogen:
- Die SCS entfaltet zwar eine erhebliche Marktwirkung, die Funktionsfähigkeit zentraler Orte im Einzugsgebiet wird durch diese aber nicht beeinträchtigt. Die negative Entwicklung einzelner innerstädtischer Standorte in Graz ist der Entwicklung anderer, näher gelegener Einkaufszentren geschuldet. Trotz des Bestands der SCS hat sich die Versorgungssituation in Graz und den umliegenden zentralen Orten verbessert. Auch die übrigen im Großraum Graz gelegenen Einkaufszentren haben ihre Verkaufsflächen im untersuchten Zeitraum zum Teil massiv gesteigert.
- Die SCS hat aufgrund der günstigen Lage jedenfalls eine Existenzberechtigung. Auch ist ein öffentliches Interesse an einem Einkaufszentrum dieser Größe gegeben.
- Im Fall der baulichen Trennung der einzelnen Baukörper der SCS ist im `best case´ von einem Umsatzrückgang von mindestens 20 % auszugehen, wahrscheinlicher ist aber das Eintreten einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale, die zur kompletten Schließung des Einkaufszentrums führt.
Es steht nunmehr wissenschaftlich objektiviert fest, dass die SCS in der derzeitigen Form zu keinen erheblichen negativen Entwicklungen geführt hat. Sollten seitens der Landespolitik keine weiteren Maßnahmen gesetzt werden, ist zu befürchten, dass es zur gänzlichen Schließung des Einkaufszentrums kommt. Dies hätte zur Konsequenz, dass zumindest 2.100 MitarbeiterInnen ihren Arbeitsplatz und 11 Millionen Kunden im Jahr ihre bevorzugte Einkaufsmöglichkeit verlieren. Überbleiben würde ein beschäftigungspolitisches Desaster sowie im schlimmsten Fall eine Bauruine unglaublichen Ausmaßes, der Schaden für den Wirtschaftsstandort Steiermark wäre irreparabel.
Seitens der Abteilung 13 wurde auf Basis der fachlichen und rechtlichen Verfahrensergebnisse der Entwurf einer Einzelstandortverordnung mit nachstehenden Eckpunkten erarbeitet:
- Mit Inkrafttreten der Verordnung ist auf der festgelegten Fläche die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung und Erweiterung eines Einkauzfszentrums mit Verkaufsflächen im Gesamtausmaß von höchstens 74.000 m2, davon höchstens 5.000 m2 Verkaufsfläche für Lebensmittel, zulässig.
- Seitens der Gemeinde Seiersberg-Pirka ist in der Folge ein Bebauungsplan zu erlassen, der einerseits den Bereich des Sandgrubenweges durch geeignete Maßnahmen vor Lärmemissionen schützt und andererseits die Nutzung der Verkaufsflächen für Lebensmittel auf das Haus 3 (Standort Merkur-Markt) einschränkt.
Nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 wird der Verordnungsentwurf für die kommenden acht Wochen zur Anhörung aufgelegt. Während dieser Zeit besteht für jedermann die Möglichkeit, eine Stellungnahme zum Verordnungsentwurf abzugeben. Nach Ablauf der Frist werden die einlangenden Stellungnahmen eingehend geprüft.
Die aktuell in Zusammenhang mit der SCS diskutierte Novellierung des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 ist eine ausschließliche Angelegenheit des Landtags Steiermark als Gesetzgeber. Unabhängig davon ist der Antrag der Gemeinde Seiersberg-Pirka auf Erlassung einer Einzelstandortverordnung nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 zu betrachten und der vorgesehen Verfahrenslauf - insbesondere die Anhörung bzw. Begutachtung - durchzuführen.
Vor der tatsächlichen Erlassung der Einzelstandortverordnung wäre ein einstimmiger Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung herbeizuführen.