Der Lawinenkommissionskurs des Landes: Weil auch im Schnee jede Minute zählt
Graz/Eisenerz (15. Jänner 2020).- Was tun, wenn Lawinen ganze Ortschaften, Landstriche und Menschenleben bedrohen? „In einem Gebirgsland wie der Obersteiermark zählen Lawinen zu den häufigsten Gefahren, die in großem Umfang das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder Eigentum bedrohen“, heißt es in den Erläuterungen zum Steiermärkischen Lawinenkommissionsgesetz, das mit 1.1.2019 in Kraft getreten ist. Um dieser Lawinengefahr entgegenzuwirken kommen sogenannte Lawinenkommissionen zum Einsatz. Diese bestehen aus ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die „unabhängig und eigenverantwortlich als Expertengremium für die Sicherheitsbehörden an Empfehlungen zur Lawinengefahrenabwehr arbeiten“, erklärt Arnold Studeregger, gerichtlich beeidigter Sachverständiger und Mitarbeiter an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), der am Kurs beteiligt war. Nach erfolgter Ausbildung fungieren sie als wichtige Hilfsorgane der Gemeinden, indem sie unter anderem Bezirkshauptmannschaften, Schiliftbetreibern oder auch dem Bürgermeister, zum Beispiel bei Evakuierungen von Gehöften, beratend zur Seite stehen.
Der Lawinenkommissionskurs des Landes, der vom 13. Jänner bis 15. Jänner 2020 in der Eisenerzer Ramsau stattfand, wurde von Expertinnen und Experten vom Bergrettungsdienst Land Steiermark, vom Katastrophenschutz, von der ZAMG - Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und von der Alpin- sowie Flugpolizei gehalten. Im Rahmen dieses Kurses wurden die teilnehmenden Lawinenkommissionsmitglieder mit viel Einsatz und Fachexpertise mit dem notwendigen Grundgerüst ausgestattet, um lawinenbedingten Katastrophenszenarien vorzubeugen. Mit Kameras und Schneeschuhen ausgestattet begleiteten wir eine der auszubildenden Gruppen ins sonnendurchflutete Gelände der verschneiten Eisenerzer Ramsau, um die jeweiligen Übungen live mitzuerleben und zu dokumentieren. Dabei waren wir aber nicht nur stille Beobachter, sondern haben an den Übungen auch aktiv teilgenommen: Beim Arbeiten mit einem Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) wurde schnell deutlich, dass man für einen erfolgreichen Einsatz des Geräts vieles beachten muss - zusätzlich zur Stresssituation, die beim Suchenden im Ernstfall entstehen kann. Hier gilt es einen klaren Kopf zu bewahren und sich das durchgespielte Suchszenario vor Augen zu halten.
Die nächste Übung befasste sich mit den Erste-Hilfe-Maßnahmen die es anzuwenden gilt, wenn ein Verschütteter entdeckt wird. Dazu gab der Kursleiter folgende Aufgabenstellung: Zwei Menschen sind auf einem Hang unter einer Lawine vergraben und ihr müsst sie so schnell wie möglich finden! Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer stürzten sogleich den Hang hinauf und bargen die Zielmarken - die die Verschütteten darstellten - unter Anwendung der im Rahmen des Kurses erworbenen Techniken. Anschließend wurde gemeinsam das Rettungsverhalten der Kommissionsmitglieder analysiert und ergänzt. Einen Menschen, der von einer Lawine verschüttet wurde, darf man beispielsweise nicht zu rasch aus dem Schnee befreien, da seine Körpertemperatur entsprechend niedrig und der Temperaturumschwung zu extrem sein könnte. Außerdem wurde im Detail auf die Ausrüstung hingewiesen, mit welcher Kommissionsmitglieder ausgestattet sein müssen, um gezielt Hilfe leisten zu können.
Neben der Ortung von Verschütteten war der Lawinenkommissionskurs auch dem Begutachten von Schneeverhältnissen gewidmet. So wurde in den darauffolgenden Übungen bei einem „Blocktest“ - bei welchem der Schnee mit Schaufeln abgetrennt wird sodass ein freigestellter Block entsteht - genauestens untersucht, welche Lagen von Schnee vorzufinden sind und wie sich das in entsprechenden Empfehlungen für Gemeinden äußern würde. Auch bei der Untersuchung des Schneeprofils galt es in einem Protokoll festzuhalten, welche Beschaffenheit vorzufinden ist und wie es zu dieser gekommen ist, d.h. welche Wetterumstände den Schnee beeinflusst haben.
Die hohe Qualität der Ausbildung im Rahmen des Kommissionskurses ist besonders hervorzuheben. Arnold Studeregger, gerichtlich beeidigter Sachverständiger und Mitarbeiter an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) betonte: „Uns ist wichtig, dass die lokalen Experten das Fachwissen für ihre wichtigen Tätigkeiten bei den Kursen des Landes Steiermark bekommen.“ Doch mit der Teilnahme am Kurs alleine ist noch nicht alles getan: „Man braucht das Grundwerkzeug, das wir den Teilnehmern auf dem Kurs mitgeben wollen, und natürlich viel Erfahrung in der Beurteilung, viele Winter, in denen man Wissen aufbaut. Mit der Zeit entwickelt man da auch ein gewisses Gespür für dieses Element“, so Helmut Kreuzwirth, Leiter des Referats Katastrophenschutzmanagement und Einsatzorganisationen und Bergretter.
Fazit: Es war ein spannender und abwechslungsreicher Kurstag, der uns viele Einblicke in die Ausbildung, Verantwortungen und Aufgabenbereiche der Kommissionsmitglieder geboten hat. Dabei wurde ersichtlich: Es kommt nicht nur auf die richtige Vorbereitung an, sondern auch darauf, einen klaren Kopf zu bewahren, wenn ein Mensch in Lebensgefahr ist - weil hier jede Minute zählt.
Graz/Eisenerz, am 15. Jänner 2020