Wildtierschutz und Verkehrssicherheit 2022
Achtes Projektjahr mit 23 neuen Jagdrevieren und eigenem Wildunfallmeldesystem
Seit dem Jahr 2015 läuft das Projekt „Wildtierschutz und Verkehrssicherheit Steiermark". Ziel ist es mit praxistauglichen Lösungen eine nachhaltige Reduktion der Wildunfallzahlen zu erreichen und damit auch mehr Verkehrssicherheit für Mensch und Tier zu schaffen. Die Unterstützung des erfolgreichen Projektes durch das Land Steiermark wurde im vergangenem Jahr von der Landesregierung bis zum Jahr 2026 erneut beschlossen. Projektträger sind wie schon 2021 Jahr die Land- und Forstbetriebe Österreichs. Neben dem Land Steiermark unterstützt auch die Steirische Landesjägerschaft das Projekt seit Beginn an.
Seit dem Start des Projektes wurden bisher in acht Ausrüstungsphasen 236 steirische Jagdreviere bearbeitet und über 46.000 moderne Wildwarnreflektoren sowie andere Präventionsmaßnahmen angekauft und an die Jagden bzw. Straßenmeistereien verteilt. Mit diesen Maßnahmen werden derzeit etwa 687 Kilometer Landes- und 26 Kilometer Gemeindestraßen abgesichert. Damit konnte auch 2022 eine deutliche Steigerung erreicht werden.
Im heurigen Jahr wurden 23 Jagdreviere neu in das Projekt mitaufgenommen (Erstausstattung) und 70 bestehende Testreviere nachgerüstet. Zum Einsatz kommen neben neuesten optischen und akustischen Wildwarnreflektoren auch Duftstoffe und ökologische Begleitmaßnahmen.
Seit den ersten Gerätemontagen wurden auf ausgerüsteten Strecken durchschnittliche Rückgänge der Unfälle mit Rehwild von 30 % bis zu 70 % (je nach eingesetzter Maßnahme) im Vergleich zu den Vorjahren verzeichnet. Dennoch kommt es österreichweit und in der Steiermark immer noch häufig zu Unfällen mit Wildtieren, wovon insbesondere Rehe betroffen sind. Vor allem bei Unfällen mit größeren Wildtieren kommt es dabei häufig zu schweren Sach- und Personenschäden, dem Verlust von oftmals geschützten Wildarten und unnötigem Tierleid. Daher wurde und wird das Projekt auch in Zukunft ausgebaut, um eine weitere Reduktion der Unfälle zu erreichen.
Die Finanzierung von Maßnahmen wie z.B. Wildwarnreflektoren, die Wildtiere durch Signale vor einem sich nähernden Fahrzeug warnen, wird zu zwei Drittel vom Straßenerhaltungsdienst (STED), zu einem Sechstel von der Steirischen Landesjägerschaft und zu einem Sechstel vom jeweiligen Jagdrevier getragen. Die Montage der technischen Maßnahmen sowie deren Betreuung und Wartung auf Landesstraßen wird gemeinsam von den Jagdrevieren und der jeweils zuständigen Straßenmeisterei durchgeführt.
Die grundlegende Finanzierung des Projekts in der Höhe von 53.900,- Euro jährlich stellt das Land Steiermark (Ressort Tierschutz 21.300,- Euro, Ressort Verkehrssicherheit 16.300,- Euro) sowie die steirische Landesjägerschaft (16.300,- Euro) sicher.
Die gute Kooperation des STED mit den steirischen Jäger:innen, die maßgebliche Unterstützung durch Politik, Verwaltung, Tier- und Naturschutz, Wirtschaft und vielen anderen Interessensgruppen sichern dem Projekt in den Testgebieten eine hohe Datenqualität und wertvolle Informationen.
Wildtierunfallmeldesystem via APP
Neben der oben aufgezählten Ausweitung wird das Projekt „Wildtierschutz und Verkehrssicherheit Steiermark" um eine neue Errungenschaft erweitert. Ab sofort gibt es nämlich ein neues Wildtierunfallsystem via APP.
Um die Wildunfallmeldung zu vereinfachen bzw. die Kommunikation für alle Beteiligten zu verbessern, hat der Steirische Jagdschutzverein Gleisdorf, ein Zweigverein des Steirischen Jagdschutzvereins, gemeinsam mit der Firma „Iteas" eine webbasierte Softwarelösung „Wildtierunfallmeldesystem (WTUMS)" entwickelt, mit der verunfallte Wildtiere in den jeweiligen Jagdgebieten einfach und rasch mittels einer App zu erfassen sind.
Die Unfall- oder Fahrzeuglenker:innen haben mittels der WTUMS-App die Möglichkeit, einen Wildunfall oder aufgefundene tote oder noch lebende verunfallte bzw. verletzte Wildtiere anonym oder mit Kontaktdaten zu melden. Wird eine Meldung abgesetzt, werden Jäger in einem Umkreis von 20 Meter vom Unfallort mittels SMS benachrichtigt. Dies ist insbesondere an Reviergrenzen für die Klärung der jagdlichen Zuständigkeitsfrage von Vorteil. Der Jäger sieht auf seinem Mobiltelefon den genauen Unfall- oder Fundort des verletzten oder toten Wildtieres und kann diesen rasch und gezielt anfahren, da WTUMS auch über eine Kartenvisualisierung verfügt.
Dadurch werden lange Wartezeiten für Unfall- oder Fahrzeuglenker:innen sowie langwierige und schwierige Nachsuchen zum verletzten oder toten Wildtier für den/die Jäger überflüssig. Zudem wird den verunfallten verletzten Wildtieren unnötiges, langes Leiden erspart, da das Auffinden viel schneller erfolgt. Alle steirischen Jagdgesellschaften werden in das WTUMS eingebunden und es wird ein abwechselnder 24/7 Bereitschaftsdienst eingerichtet.
Die WTUMS-App bietet allen Beteiligten eine große Erleichterung im Wildtierunfallmanagement, soll vorerst in der Steiermark eingesetzt und bei Interesse österreichweit ausgerollt werden. Zielgruppe sind dabei insbesondere Jäger:innen, Einsatzkräfte (zB. Exekutive) und auch beteiligte und betroffene Bürger:innen (Unfall- oder Fahrzeuglenker:innen).
Die Finanzierung des neuen Wildtierunfallmeldesystems erfolgte jeweils zu einem Drittel vom Land Steiermark (Tierschutz), der Steirischen Landesjägerschaft sowie dem Steirischen Jagdschutzverein. Die Gesamtentwicklungskosten beliefen sich auf 12.000,- Euro.
Statements:
LH-Stv. Anton Lang, Verkehrs- und Tierschutzreferent:
„Gemeinsam mit unseren Partnern ist es uns auch in diesem Jahr gelungen, das Projekt deutlich zu erweitern. Mehr Wildwarnreflektoren und mehr eingebundene Jagdreviere bedeuten eine Absicherung von noch mehr Kilometern auf den steirischen Straßen. Damit wollen wir nicht nur unsere Wildtiere noch besser schützen, sondern gleichzeitig auch für mehr Verkehrssicherheit sorgen. Seit Beginn des Projektes konnten wir durch unsere Maßnahmen auf einzelnen Abschnitten einen deutlichen Rückgang der Wildunfälle verzeichnen. Das ist aber gleichzeitig auch Ansporn, das bis mindestens 2026 laufende Projekt weiter auszubauen. Mein Dank gilt all unseren Partnern, mit denen wir auch in Zukunft eng zusammenarbeiten wollen."
HRin Dr.in Barbara Fiala-Köck, Tierschutzombudsfrau:
„Wir Menschen dringen immer mehr in den Lebensraum unserer Wildtiere ein, als Jogger, Radfahrer oder auch nur als Spaziergeher. Wildtiere versuchen Begegnungen mit Menschen auszuweichen und ändern ihr Mobilitätsverhalten. Alle sieben Minuten ereignet sich auf Österreichs Straßen ein Wildunfall. Tierschutz ist unteilbar und gilt nicht nur für Heim- und Nutztiere, sondern auch für Wildtiere. Unfälle mit Wildtieren führen zu schweren Sach- und Personenschäden, zum Verlust von geschützten Wildarten und zu erheblichem unnötigen Tier- und Menschenleid. Trifft man mit nur 50 km/h auf ein Reh, das 20 Kilogramm wiegt, wirkt bereits eine halbe Tonne auf das Fahrzeug ein. In vielen Fällen müssen verletzte Wildtiere erst durch Jagdausübungsberechtigte von ihren Qualen erlöst werden. Im Durchschnitt der letzten Jahre kamen rund 80.000 Wildtiere durch eine Kollision mit einem Fahrzeug zu Schaden. 376 Menschen wurden 2019 verletzt, zwei Personen fanden den Tod. Das Projekt „Wildtierschutz und Verkehrssicherheit" wurde von der TSO initiiert. In enger Kooperation zwischen dem Land Steiermark, der Steirischen Landesjägerschaft und der Land&Forst Betriebe Österreich und der Universität für Bodenkultur konnte insbesondere aus Tierschutzsicht ein Vorzeigeprojekt etabliert werden. Auf den entsprechend ausgerüsteten Strecken wurden durchschnittliche Rückgänge der Unfälle mit Rehwild von 30 % bis zu 70 % im Vergleich zu den Vorjahren verzeichnet. Praxistaugliche Lösungen zur Reduktion der Wildunfallzahlen führen langfristig zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit für Mensch und Tier und zu einer Reduktion von unnötigem Tierleid. Die Win-Win Situation für Mensch und Tier ist ganz besonders herauszustreichen."
Franz Zenz, Fachabteilungsleiter STED:
„Das nunmehr schon seit Jahren sehr erfolgreiche Projekt Wildschutz ist eine über die Landesgrenzen hinweg beachtete Initiative, die uns zeigt, dass man mit relativ geringem Mitteleinsatz nachweislich eine hohe Wirkung erzielen kann. Eine Investition, die sich wahrlich lohnt und einen wesentlichen Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit leistet."
Franz Mayr-Melnhof-Saurau, Landesjägermeister:
„Dieses Projekt steht und fällt mit unseren Jägerinnen und Jägern, die in der Steiermark als einzige Organisation flächendeckend gelebten Wildtierschutz auch in der Praxis anbieten können. Über die Jagd werden die notwendigen Daten geliefert, um Unfall-Hotspots ausfindig zu machen. Neben der Landesjägerschaft leisten auch die Jagdreviere selbst einen Kostenbeitrag und gemeinsam mit der Wissenschaft wird die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen evaluiert. Insgesamt sind hier neben den 70 bestehenden Testrevieren wieder 23 neue dazugekommen, damit haben wir insgesamt bereits 236 Reviere in diesem gemeinsamen und sehr erfolgreichen Projekt.
Die 24.500 Jägerinnen und Jäger in der Steiermark blicken auch aus den Augen der Wildtiere auf unsere Kulturlandschaft und berücksichtigen Straßen als für Mensch und Tier gefährliche Durchschneidungen der Wildlebensräume natürlich auch bei ihrem kompetenten und notwendigen Wildtiermanagement.
Der Jagddruck wird an solchen Stellen erhöht, um die Gefahr von Unfällen zu minimieren. Das kommt allen zugute, die auf der Straße unterwegs sind. Kommt es doch zu einem Unfall, sind unsere Mitglieder auch als Experten vor Ort die richtigen Ansprechpartner. Wildtiere unterscheiden sich sowohl in ihrem Verhalten als auch in ihren Bedürfnissen grundlegend von unseren Haustieren, jede Art von Annäherung löst den Fluchtreflex aus und auch schwer verletzte Wildtiere versuchen, trotz ihrer Schmerzen noch, soweit wie möglich von uns Menschen wegzukommen. Auch ein schwer verletztes Wildtier würde sich niemals freiwillig in menschliche Obhut begeben.
Hier gilt: Hände weg - Jäger sind behördlich geprüfte Profis und hier neben den übrigen Einsatzkräften am Unfallort diejenigen, die die Situation für das Wildtier am besten lösen können und auch über das notwendige Fachwissen verfügen. Sehr häufig flüchten verletzte Wildtiere nach Unfällen und ich bitte hier wirklich alle Verkehrsteilnehmer, den Unfall wenigstens zu melden und nicht einfach weiterzufahren, wie es leider in viel zu vielen Fällen noch immer passiert. Unsere rund 900 speziell ausgebildeten jagdlichen Einsatzhunde können hier helfen - sie finden die meist schwer verletzten Wildtiere rasch und verlässlich und das Leid kann wenigstens rasch beendet werden.
Ich bin davon überzeugt: Das jagdlich grüne Herz der Steiermark schlägt auch für Wildtiere und mit der großartigen App, die von engagierten Jägern mit viel Know-How entwickelt wurde und heute vorgestellt wird, ist die Meldung von Wildunfällen noch einfacher. Bitte nicht weiterfahren und Tiere einfach liegen und damit leiden lassen.
Die Wildtierexperten der Steirischen Jagd stehen für die sofortige Hilfe ehrenamtlich und rund um die Uhr zur Verfügung. Mit Stolz stehe ich als Landesjägermeister an der Spitze einer Steirischen Jagd, die in der Lage ist, nicht nur draußen in der Natur mit Sach- und Fachkompetenz Naturschutz mit Hausverstand zu praktizieren, sondern auch den notwendigen technischen Support zu entwickeln, damit jeder in Zukunft noch leichter seinen Beitrag zum Wildtierschutz leisten kann, um verletzte Wildtieren rasch und verlässlich zu finden. Wir leben unseren Leitspruch „Natur verpflichtet" - in diesem Projekt wird er von allen Beteiligten gelebt, das ist vor dem ernsten Hintergrund eine sehr erfreuliche Entwicklung."
DI Willibald Acham, Vizepräsident Steirischer Jagdschutzvereines:
„Für den Steirischen Jagdschutzverein ist die Vereinbarkeit von Wildtier und Kulturlandschaft eines der wichtigsten Handlungsfelder. Unsere Jägerinnen und Jäger sind sehr stark mit den Auswirkungen unseres menschlichen Handelns auf Wildtiere und ihren Lebensraum konfrontiert. Unfälle im Straßenverkehr stellen eine Gefahr für Mensch und Tier dar, unsere beteiligten Mitglieder haben hier eine großartige App entwickelt, die einen wesentlichen Beitrag dazu leisten wird, dass verletzte Wildtiere rasch gefunden werden können. Wir beteiligen uns hier sehr gerne an den Entwicklungskosten, weil die Entwicklung von zeitgemäßen technischen Lösungen, die in der Praxis wirklich Sinn machen, auch zur Kompetenz der Jagd gehört."
DI Bernhard Budil - Generalsekretär der Land&Forst Betriebe Österreich:
„Der Schutz vor Wildunfällen kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug hervorgehoben werden. Im Ernstfall entstehen Schäden und Betroffenheit in vielfältiger Art und Weise. Wirtschaftlich, ökologisch und auch sozial oft lang nachwirkende Effekte können jedoch durch eine vorausschauende Vorgehensweise und aktives Handeln vermieden werden.
Das Projekt ‚Wildtierschutz und Verkehrssicherheit Steiermark‘ ist hier ein besonderes Vorzeigebeispiel. Durch das professionelle Zusammenspiel von Politik, Jägerschaft und Wissenschaft konnten bereits in der Vergangenheit viele kritische Straßenabschnitte entschärft und damit Schäden an Mensch, Material und Tier stark reduziert werden. Mein Dank gilt hier explizit allen Projektpartnern, mit denen gemeinsam das Thema Wildunfallschutz auf Basis der bereits bisherigen guten Arbeit ständig weiterentwickelt und regelmäßig an den neuesten Stand der Technik angepasst wird.
Für die Land&Forst Betriebe Österreich ist Wildtiermanagement immer ein integrativer Bestandteil einer nachhaltigen Landbewirtschaftung und Wildunfallschutz ein besonderer Puzzlestein in diesem komplexen Gefüge."
Dr. Wolfgang Steiner, Projektleiter, Land&Forst Betriebe Österreich:
„Mit dem nun abgeschlossenen achten Durchgang des Projektes `Wildtierschutz und Verkehrssicherheit Steiermark´ können wir weitere unfallgefährdete Strecken des Landes absichern und unsere Expertise durch neu hinzugekommene moderne technische Maßnahmen weiter ausbauen.
Neben heuer startenden Tests neuer optischer Wildwarnreflektoren ist es vor allem das innovative System ‚Animot‘ das in vorangegangenen Tests unsere Erwartungen deutlich übertroffen hat und zukünftig an besonders gefährlichen Wildunfallstellen eingesetzt werden soll.
Wildunfallschutz kann nur gemeinsam erfolgreich gelebt und umgesetzt werden. Beginnend von den Grundlagen und rechtlichen Vorgaben bis hin zum professionellen Management und dem Einsatz in der Praxis ist die Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung, Straßenerhaltungsdienst, Jagd, Tierschutz, Wissenschaft und Sponsoren unabdingbar. Eine derartige Zusammenarbeit unterschiedlichster Partner ist schwierig und nicht selbstverständlich - in unserem Projekt ‚Wildtierschutz und Verkehrssicherheit Steiermark´ haben wir aber genau das erreicht: gemeinsam für die Erhöhung der Verkehrssicherheit für Tier und Mensch und für die Verminderung von Tierleid entlang unserer Verkehrswege."
5. Oktober 2022